Rezensionen Auswahl


Andreas Pytlik hat es sich zur Aufgabe gesetzt, das Grün aus seinem Schattendasein zu befreien.
Ähnlich wie für Goethe ist auch für Pytlik Grün ein essentielles, verbindendes Element.
Es formt die Verknüpfung zwischen den Grundfarben rot-gelb-blau.
In diesem Sinne öffnet Grün den Dialog und schafft Kommunikation zwischen den Dingen.
Kommunikation ist auch das zentrale Element in Pytliks Malerei:
Um Wiese künstlerisch umzusetzen ohne dabei jedoch in Kitsch zu enden,
wählt Pytlik den Weg der radikalen formalen Reduktion.
Er verneint jegliche objektartige Darstellung von Wiese.
Er verweigert uns das Illustrative und setzt damit zunächst klare Schranken – ganz bewusst,
damit wir als Betrachter selbst einsteigen. Denn erst im Dialog mit unseren eigenen Erfahrungen und Erinnerung,
aus der Kommunikation, erwächst aus dem Wort WIESE auf grünen Hintergrund ein vielschichtiges Bild.

Dr. Patricia Wiegmann, Eröffnung städtische Galerie Rosenheim 2018


Andreas Pytlik geht indessen unbeirrbar seinen „way trough the woods“,
schafft einen Bilderkosmos aus gebrochenem, von orangem, violettem,
rotem, weißem Gegenlicht durchsetztem Grün, das dennoch keinen Zweifel lässt,
dass es hier nicht um deutsche Wälder, sondern ganz allein um Malerei,
um die Bewältigung und Feier einer extrem schwierigen Farbe geht….
Malerei als Grunderfahrung von Natur, als tausendfach changierende Farbe Grün….

Klaus Jörg Schönmetzler, Kulturreferent Landkreis Rosenheim, 2012


In den aktuelleren Bildserien werden Baum, Wald und Landschaft immer
stärker reduziert und in einzelne horizontale Schichtungen gegliedert, die
an Boden, Atmosphäre und Licht denken lassen.
So wird durch immer stärkere formale Reduktion eine zunehmende Verdichtung
an Gehalt in den Bildern erzielt,

Gerhard Poremba, Inzell 2011

Soldatisch steht Flasche an Flasche. Akkurat wurde der Grünbelagentferner
45 m lang positioniert. Die zum Kult gewordenen grünen Flaschen mit rotem Verschluss
lassen assoziativ aus der Entfernung an Mohnblumen denken, wohl wissend,
dass die Natur nie derart gleichmäßig auftaucht und schon gar nicht im Innenraum.
Es ist mehr als ein Paradoxon, wenn der Grünbelagentferner
1. auf dem sauberen Fußboden gestellt,
2. der Grünbelagentferner in einer grünen Flasche vertrieben und
3. der Grünbelagentferner in einer Ausstellung über Gärten präsentiert wird.

Im Stadtgarten stach Pytlik das Wort Grün aus einer grünen Rasenfläche.
In der sichtbaren braunen Erde erscheint die Farbbezeichnung im Negativ,
in der grünen Natur wird das Grün aus der Erde gelöst, um es in der „Negation“,
der „Leere“, positiv hervorzuheben.

Dr. Ilonka Czerny, Weingarten 2010


Pytlik interessiert sich jedoch nicht nur für die Farbe, es geht ihm um das Wesen von Grün.
Auch die Landschaft interessiert ihn nicht, sondern das Wesen der Landschaft.

In seinem neuesten Bilderzyklus beschäftigt sich der Künstler mit Wald,
dem deutschen Sehnsuchts-Ort schlechthin.
Auch hier haben wir es mit einer Abstraktion von Wald zu tun, die jedoch Atmosphäre einfängt und vermittelt.
Wer sich drauf einlässt, riecht das Moos, hört das Knarzen der Bäume und sieht die Heidelbeeren.
Pytlik zitiert Wald in seiner Farbigkeit und seiner formalen Strenge. Auch hier wird die Teilung zum Prinzip.
Wie ein halb hochgezogener Theatervorhang wirkt die Fläche, die den oberen Teil des Waldes verbirgt.

Dem Wald raffiniert gegenübergestellt ist die Videoarbeit ‚Downtown‘,
die ins hektische Leben der Stadt blicken lässt.
Hier wird das Grün zur Metapher. Zielstrebig und beinahe heiter fahren die Menschen hinab in die Unterwelt,
die durch das Grün ihren Schrecken verliert.

Gérard Ziegler, Stuttgart, Mai 2009
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„Das Wort Grün und die Farbe Grün sind die Grundformel mit der Wahrnehmung
angeregt wird.“ Pytlik selbst wurde u.a. durch seine Seherfahrung mit den Bildern
des Landschaftsmalers Giovanni Segantini angeregt, sich mit dem Motiv Landschaft
zu beschäftigen und es formal „auf das Jetzige zu übersetzen“.
Dafür schuf er 1999 den Zyklus „Grüne Landschaften“, den er als ein Prozess des Sezierens,
des Zerlegens von Landschaftsbildern beschreibt. Damals ging es Pytlik vorrangig noch um
das Erforschen, wie Landschaft funktioniert und ab wann sie als solche wahrgenommen wird.
Er kommt zu der Erkenntnis, dass die Assoziation von „Naturraum“ durch das Zusammenspiel
von drei Elementen ausgelöst wird: Boden, Atmosphäre und Licht oder Dunkelheit.
Er entwickelt daraus die Aufteilung der Bildfläche in drei horizontal übereinander liegende Flächen.
Diese Landschaftssubstrate tauchen innerhalb seiner Installationen und Aktionen immer wieder
als Zitat von Naturraum auf, manchmal in winzigsten Formaten.

Natalie von Kornatzki, München 2009

Andreas Pytliks Kunst dreht sich in einer konsequent grundlegenden Auseinandersetzung
ausschließlich um die Natur des Grüns, seine Farbe und Vegetation.
Grün regt die Wahrnehmung an und gibt Raum zum Atmen.
Grün ist spürbares Leben, sichtbarer Lebensraum und fester Untergrund.
Im kollektiven Bewusstsein verweist es auf den Zyklus von Werden und Vergehen.

Am Rande der Vaihinger Altstadt beschreibt das Grün einen Ort,
an dem Natur und Kultur zusammentreffen. Zwischen Enz und Mühlkanal
erstrecken sich Gärten und Wege im Schoß einer üppigen Pflanzenwelt,
die unaufhaltsam wächst und gedeiht. Wenn Andreas Pytlik hier für wenige Wochen
mit umgedrehten Grabsteinen die Felder- und Flächenanordnungen der beschriebenen
Hüpf- und Fangspiele markiert, so schafft er im Grünen zwei unerwartete Spielräume des Gedenkens.
Mitten auf dem Dammweg verlegt und in Flusssand eingebettet, werden die Steine aus ihrer ursprünglichen
Zweckbestimmung befreit, um für Spaziergänger und Passanten zu unausweichlichen Schwellen
der Erinnerung zu werden. Es sind ausgediente Grabsteine, Wegwerfartikel, die in der Natur der Enzaue
mit ihren verdeckten Inschriften das Andenken an das einzelne Leben bewahren.
Es sind namenlose Mahnmale, die auf unsere Herkunft aus und unsere Rückkehr in die Natur verweisen.
Zwischen Keimen und Welken, „Himmel und Hölle“ und der Frage nach dem
„Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann?“ berühren sie das eigene Ich in lebendiger Gegenwart
und erinnerter Vergangenheit.

Dr. Stefanie Dathe, Kuratorin “zündstoff” 2005, Vaihingen an der Enz


Jahrhundertelang, genauer seit Entstehung der Landschaftsmalerei als eigenständiger Kunstform
in der Dürer-Zeit, war Grün in allen Schattierungen ganz fraglos eine der wichtigsten und gängigsten
Farben der Palette. Doch, so Pytlik: zugleich mit der traditionellen Landschaftsmalerei verschwand
auch das Grün. Und zugegeben: wenn sie selber schnell im Geist die Bilderwelten der Moderne Revue
passieren lassen, werden sie sich von Piet Mondrian bis Barnet Newman und Marc Rothko
oder Antoni Tapies ganz sicher hunderter von Bildern in Grau, Braun, Weiß, Gelb, Rot, Blau und Schwarz erinnern.
Aber grüne Bilder fallen einem, zumindest auf Anhieb, herzlich wenig ein.
Warum ? Weil die drei komplementären Basisfarben Rot, Gelb, Blau sowie Schwarz und Weiß schon in sich selber
eine Abstraktion bedeuten. Während das Grün zwangsläufig eine Assoziation von Landschaft,
sprich Naturwahrnehmung in sich trägt.

Nicht Barnet Newmans berühmtes „Who`s afraid of Red, Yellow and Blue“ ist mithin die Frage.
Mit der konnte man damals vielleicht die braven Bürger, aber nicht die Kunstwelt irritieren.
Nein, die interessantere Frage für Andreas Pytlik war es: Who`s afraid of Green?“.
Wie kann man heute, in der Zeitwende des Jahres 2000, wieder grüne Bilder, also letztlich:
Landschaftsbilder malen; aber Landschaftsbilder ohne den entsetzlichen Ballast,
den Wust von Kunst und Kitsch, der gerade diesem Genre anhängt ?

Und da hilft, soweit seine These (Sergio Benvenuto’s), wirklich nur der radikale leere Blick.
Das aber heißt für uns: der Blick des Neugeborenen. Der Blick des Blinden.
Der Blick dessen, der von all den Landschaftsbildern zwischen Altdorfer und Claude Lorrain,
zwischen Reynolds und Monet, zwischen der Genremalerei der Niederländer und
den Röhrenden Hirschen der Gründerzeit nichts weiß, nichts wissen will.

Klaus Jörg Schönmetzler, Kulturreferent Landkreis Rosenheim, 2001